Von Vorbildern

Im Rahmen der 4. Runde der von Jan-Martin Klinge und Herrn Mess ausgerufenen Blogparade des #FediLZ denke ich hier über meine Vorbilder in der Schule nach. Welche Lehrkräfte haben mich besonders beeindruckt? Und warum?

Ich wähle bewusst den Plural, weil es mir schwer fällt, mich für eine Person zu entscheiden. Meine Erinnerungen an die Schulzeit liegen nun schon unter einem dunstig-goldenen Schleier der Verklärung, der Jahr für Jahr dichter wird. Ich empfinde ein nostalgisches „Ach-ja-damals“-Gefühl, wenn ich daran denke. Vieles, was mich zu der Person gemacht hat, die ich heute bin, kann ich nicht mehr auf einzelne Begegnungen oder Menschen zurückführen.

Es gibt aber einige Personen, an die ich mich erinnere und sie teilen vor allem eine gemeinsame Eigenschaft: Sie wussten sehr viel und beherrschten ihr Fach. Und in ihrem fachlich souveränen Auftreten wurde mir klar: Hier interessiert sich jemand so sehr für ein Thema, dass sie oder er bereit sind, ihm ihr ganzes Leben zu widmen. Das hat mich sehr beeindruckt.

Es ist vielleicht nicht verwunderlich, dass meine beiden Leistungskursleiter in der Oberstufe besonders für mich herausstechen. Die Fächer, die ich später selbst studiert habe und heute unterrichte, haben mich in der Abiturzeit und in den Jahren davor sehr geprägt.

Mein Lateinlehrer war auf eine katholische Lateinschule in Berlin gegangen und schöpfte aus einem reichhaltigen Fundus an Wissen, das ihm dort (ich vermute: nicht immer auf zugewandte Weise) vermittelt worden war. Er hatte einen wunderbar hintergründigen Humor, den ich mit ihm teilte. Einmal erzählte er, dass er in einer Prüfung einen lateinischen Text ins Altgriechische übersetzen musste – Anforderungen, die nicht einmal an der Universität eine Rolle spiel(t)en. Ich habe sehr von ihm profitiert und bedauert, dass er kurz nach seiner Pensionierung verstarb. Auch wenn ich mich ärgerte, wenn er im Unterricht meine eigene Interpretation von Textstellen öfter mit einem „Glauben Sie mir – ich habe da einen Informationsvorsprung!“ abbügelte, ich verdanke ihm sehr viel und wäre heute nicht der, der ich bin, wenn wir uns nicht begegnet wären.

Mein Musiklehrer kam erst kurz vor meiner Oberstufenzeit zu uns. Er fühlte sich an meiner Schule nie wirklich wohl, ich vermute heute: Er konnte einfach zu viel. Und Musiklehrer (da nehme ich mich nicht aus) sind oft empfindliche Menschen. Also gab es beständig Knatsch im Fachbereich. Davon bekamen wir allerdings nur am Rande etwas mit.

Ich sah vor allem einen Menschen, der unwahrscheinlich gebildet war. Er konnte hervorragend Klavier und mehrere andere Instrumente spielen und hatte die Musiktheorie und -geschichte (und wahrscheinlich noch viele andere Themen) auf eine Weise durchdrungen, die mich immer wieder tief beeindruckte. Er hatte auch an der Musikschule Klavier unterrichtet und an der Hochschule die Eingangsprüfungen für die Lehrämter mit konzipiert. Einmal – in einer Einheit zum Thema Filmmusik – spielte er uns einen Kurzfilm vor. Im Abspann erschien sein Name als Komponist. Und als einige aus unserem Kurs für die A-capella-Projekte, die wir mit ihm neben dem „normalen“ Unterricht verfolgten, Arrangements in der örtlichen Bibliothek suchten, fanden sie viele: Mit seinem Namen als Arrangeur.

Ich empfinde heute noch dieselbe Ehrfurcht wie damals, wenn ich an ihn denke. Und auch, als er uns im letzten Jahr plötzlich im Stich ließ, weil er mit seiner Familie eine Stelle im Ausland antrat, war ich zwar enttäuscht, aber nicht böse auf ihn und vor allem dankbar für alles, was ich in der kurzen Zeit lernen durfte. Ich profitiere bis heute davon.

Wie ich jetzt so schreibe, fällt mir noch eine Person ein, die mich beeindruckt und geprägt hat: Meine Grundschullehrerin der ersten und zweiten Klasse. In ihrem Fall ist es nicht ihr Wissen, woran ich mich erinnere (das kann ich nicht beurteilen), sondern ihre Art, uns so verschiedene Menschen auf freundliche und unnachahmliche Weise zu einer Gemeinschaft zu bringen. Sie hat sehr viel Zeit mit uns in Stuhlkreisen verbracht, wo wir unsere Schwierigkeiten miteinander klären konnten. Ich hatte so einen tollen Start in die Grundschule, in der ich mich geborgen und willkommen fühlte. Das verdanke ich ihr.

Wenn ich mich mit meinen Vorbildern vergleiche, wird mir eins deutlich: Das, was ein Lehrer idealerweise erreichen sollte, ist ihnen nicht gelungen: Ich als ihr Schüler habe sie niemals übertroffen. Aber das ist wohl nicht ihre Schuld.


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