Im Rahmen der 6. Runde der von Herrn Mess und Jan-Martin Klinge ausgerufenen Blogparade beschäftige ich mich mit der Frage, was politische Bildung in meinem Unterricht in meinen Augen sein und wie sie gelingen kann.
Als ein Ort, wo viele verschiedene Menschen zusammenkommen, ist die Schule wie gemacht dafür, demokratisches Selbstverständnis zu prägen und zu gestalten. Das schlägt sich grundsätzlich bereits in vielen Strukturen der Partizipation nieder, die in der Schule vorgesehen sind, namentlich in den Gremien, in denen sich die Schulbeteiligten für sich oder gemeinsam treffen und Beschlüsse für das Zusammenarbeiten oder die Ausgestaltung des Schullebens fassen.
Schule ist aber auch eine Behörde mit hierarchischer Struktur, d.h. die Möglichkeiten der demokratischen Ausgestaltung direkt vor Ort sind an öffentlichen Schulen begrenzt. Nicht alles kann oder muss diskutiert werden, weil die Ministerien oder Senatsverwaltungen der Länder die Vorgaben machen. Durch die Wahlen auf Landesebene sind diese Bereiche von jeder Wählerin und jedem Wähler – etwas Geduld vorausgesetzt – beeinflussbar.
Trotz der – in meinen Augen sinnvollen – Begrenzung der Einflussnahme glaube ich, dass an vielen Schulen noch viel Potenzial der gemeinsamen Gestaltung vorhanden ist, das nicht immer genutzt wird.
Ich bin kein Geschichts- oder Politiklehrer. Politische Bildung findet in meinem Unterricht nicht als Inhalt, sondern sozusagen indirekt statt. Zwei Dinge gehören dabei grundlegend zu meinem Verständnis von Demokratie:
1. Ich kann in der Gemeinschaft, in der ich lebe, wirksam werden. Und zwar unabhängig davon, welches Geschlecht, welche Hautfarbe oder Herkunft, welche Vorlieben oder sonstige differenzierende Eigenschaften ich habe.
2. Ich muss damit leben, dass am Ende eines Entscheidungsprozesses in einer Demokratie in aller Regel ein Kompromiss und eine Mehrheitsentscheidung steht.
Diese beiden Grundvorstellungen prägen mein Handeln und dafür versuche ich, auch meine Schülerinnen und Schüler zu sensibilisieren.
Bei jeder Planung eines gemeinsamen Ausflugs oder einer außerschulischen Aktivität, wenn ich für bestimmte Projekte die Gruppenwahl freistelle oder wenn z.B. Unterrichtsinhalte mitbestimmt werden können, diskutieren wir Ziele und Möglichkeiten, Bedürfnisse und Befindlichkeiten und suchen nach einer Lösung, auf die sich alle freuen können. Nicht selten erzeugt dieser Prozess Frust und Ungeduld, auf jeden Fall braucht er Zeit, und manchmal wird der Wunsch an mich herangetragen, endlich eine Entscheidung für alle zu treffen und „basta“ zu sagen. Dann spreche ich gerne darüber, warum ich genau das nicht tue.
Natürlich gibt es häufiger die Phasen des Unterrichts, in denen nichts zur Wahl steht. Und ich will hier nicht verschweigen, dass diese Kompromisssuche durchaus scheitert. Aber lieber soll sie gemeinsam scheitern, als dass am Ende ich oder eine andere selbsternannte Autorität für alle entscheidet. Denn zu welcher Gesellschaft dürfte eine solche Haltung führen?
Nach meiner Erfahrung ist der nächste Wahlprozess nach dem Scheitern von größerer Rücksichtnahme geprägt, so dass oft schönere Ausflüge und Unternehmungen entstehen, bessere Gruppen gebildet oder Ziele und Inhalte mit mehr Vernunft gesetzt bzw. gewählt werden.
Reicht das schon, um Demokratieverständnis zu erzeugen? Das ist eine gute Frage, die ich nicht beantworten kann. Ich gehe aber lieber diese kleinen Schritte, ohne große Inszenierung.
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