Warum sollte man heute noch Lehrer werden?

An dieser Frage stört mich viel! Sie ist mir zu suggestiv. Und sie doppelt sich irgendwie mit der Frage, warum ich meinen Beruf liebe. Damit habe ich mich hier im Rahmen der Blogparade bereits auseinandergesetzt. Fazit: Ich schätze meinen Beruf sehr.

(Entschuldigung, ich bin heute etwas unleidlich, weil in der Schule mein von mir liebevoll & privat für meinen Fachbereich aufgebauter Rechner geplündert worden ist. Wer klaut bitteschön 8GB-DDR4-Speicherbausteine? Wie gefühllos muss man sein, um einer elektronischen Seele auf so brutale Weise ihr Kurzzeitgedächtnis zu rauben? Und irgendwer anderes hat sich meine Bluetooth-Box – mit weniger Liebe, aber immer noch privat angeschafft – ausgeliehen und nicht zurückgebracht. Ich hoffe nicht „ausgeliehen“.)

Aber Ernst und Spaß beiseite: Ich möchte im Rahmen dieses Textes keine Berufsempfehlung aussprechen, weder für den Lehrer, noch die Bürofachkraft, noch den Top-Manager.

Natürlich kann ich zu meinem eigenen Beruf mehr sagen als zu den anderen Berufen, in gewisser Weise aber auch nicht. Dafür ist das Berufsfeld „Lehrer“ doch viel zu ausdifferenziert. Der eine arbeitet an der Grundschule, die andere an der Gemeinschaftsschule, jemand anderes in einer offenen Einrichtung der Erwachsenenbildung. Mit alldem kenne ich mich fast genauso wenig aus wie jemand, der vor seiner ersten Berufswahl steht. Und wenn ich dazu bedenke, dass ich Latein- und Musiklehrer an einem altsprachlichen Gymnasium bin, mache ich mir wenig Illusionen, wie viele Menschen meine Empfehlung für relevant halten werden: Der Lehrberuf, dem ich persönlich nachgehe, wird doch von sehr vielen Menschen als völlig weltfremd (Latein) oder putzig (Musik) wahrgenommen.

Am meisten stört mich aber das Wort „noch“ in der Frage. Für mich wird darin eine resigniert-fatalistische Stimmung sichtbar, die unsere Zeit gerade maßgeblich mitprägt.

Ich meine damit diejenigen, die im Grunde genommen sehnsüchtig darauf warten, dass endlich irgendeine letzte apokalyptische Bedrohung eintritt und ihnen die ermüdende Verantwortung für die Demokratie (und – noch schlimmer – die Entscheidung für ein viertes SUV oder den Tesla) abnimmt. Konstantínos Kaváfis hat dieser Sichtweise schon 1898 in seinem Gedicht „Warten auf die Barbaren“ in unnachahmlicher Weise nachgespürt.

Wenn in diesem „noch“ ein „Lohnt sich das heute überhaupt noch?“ mitschwingt (und ich lese das Wort so), ist das doch geradezu absurd. Natürlich „sollte“ man heute noch Lehrer, Bürofachkraft und Top-Manager werden! Diese Berufe und viele andere werden weiterhin gebraucht und morgen hört auch nicht die Zukunft auf – außer im philosophischen Sinne.

Ich bin überzeugt: Wir schaffen das schon und brauchen sicher auch Lehrkräfte dafür! Aus welchem Grund „sollte man“ sich nun für diesen Beruf entscheiden? Auch dazu fällt mir nur Unbefriedigendes ein: aus den besten Gründen!

Für mich war die Wahl meines Berufs vor allem eine Entscheidung aus Interesse und Liebe zu meinen Fächern und ich profitiere mein Leben lang davon. Aber das ist jetzt natürlich keine Empfehlung. Empfehlen will ich vor allem eins: Kavafis lesen!

Dieser Blogpost ist Teil der Edu-Blogparade 2024 und folgt einem Aufruf von Jan-Martin Klinge und Herrn Mess.


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